Das erste Rendezvous

Natürlich ist es nicht das erste Date für Sie – aber es könnte es sein. Und manchmal wünscht man es sich sehnlichst zurück, weil man es völlig vergeigt hat. Alles noch einmal von vorne. Vielleicht klappt‘s ja diesmal.

Doch der Weg zurück ist versperrt. „Some things are better left unsaid,“ singt Annie Lennox in ihrem Welthit „Why“, der den Trennungsschmerz beschreibt. Ja, manchmal ist es in der Tat besser, einfach zu schweigen. Womit wir beim Thema angelangt sind.

Wenn sich zwei Menschen zum ersten Mal begegnen, hängt vieles vom Zufall ab. Es könnte regnen, die Suppe beim Abendessen ist versalzen, der Wein schmeckt nach Kork. Das Hemd steht ihm nicht, Ihre Bluse gefällt ihm nicht. Bier trinkt er aus der Flasche (was Sie verpönen) –, Sie knibbeln andauernd an den Fingern (was er nicht mag). Reine Äußerlichkeiten. Schwamm drüber. Politik und Religion sind tabu. Das Wetter ist etwas für Langweiler, denen so gar nichts einfällt. Den Regen, der drohte alles zu vermasseln, können Sie hingegen durchaus thematisieren.

Das erste Rendezvous ist eine Art Generalprobe. Gelingt sie, wird man sich wiedersehen; misslingt sie, dann war‘s das wohl. Dabei spielt der erste Eindruck eine tragende Rolle. Dass man sich rein äußerlich akzeptiert, ist bereits geklärt, denn sonst hätte man sich nicht verabredet. Alles, aber auch alles, was danach geschieht, wird den Fortgang des Kennenlernprozesses beeinflussen. Bestenfalls trifft Sie (oder ihn) der Pfeil Amors in Form einer ausgewachsenen Rundaxt –, wenn alles schiefläuft, dann ist die Chance meist vertan. Doch Sie selbst haben es in der Hand! Werfen wir den ersten Blick auf ihn und auf sein Verhalten. Kleben Sie an seinen Lippen, wenn er spricht; vermag er es, Sie zu begeistern? Wenn nicht, dann geben Sie ihm den Laufpass! Es sei denn, Sie sind darauf aus, Ihr zukünftiges Leben mit einem 0/8/15-Typen zu teilen, denn ändern wird er sich wohl nicht. Erzählt er jedoch eine spannende Geschichte nach der nächsten, dann hat er sein Ziel bereits erreicht: Er wird Sie wiedersehen. Selbst wenn er etwas Seemannsgarn gesponnen hat, ändert dies nichts daran, dass seine Strategie erfolgreich war. Nun zu Ihnen: Allerweltsgeschichten sind ein Liebestöter. Unterstehen Sie sich deshalb tunlichst über Ihren Gemüsegarten oder Ihre Preisvergleiche im Supermarkt zu berichten. So etwas interessiert allenfalls Ihre beste Freundin. Trumpfen Sie auf! Denken Sie vorab darüber nach, welches herausragende Erlebnis Ihr Leben bereichert hat.

Nun sitzen Sie da. Er schaut Sie an. Das Kerzenlicht brennt ruhig. „Ich war gerade zwanzig“, beginnen Sie, „als mich meine Freundin Michelle zu einem Trip nach Saint Tropez überredete. Ihre Mutter hatte ihr das Auto überlassen. Siebzehn Stunden dauerte die Fahrt, und als wir ankamen, sackten wir in die Sitze und schliefen. Gegen Mittag, die Sonne stand hoch am Himmel, weckte uns ein Klopfen. Irritiert schauten wir auf. Neben unserem Auto stand ein braungebrannter Franzose und wedelte mit einer kleinen Blume. Michelle öffnete das Fenster. „Kommen Sie mit mir auf den Blumenmarkt!“ sagte der nette Herr. Bereitwillig folgten wir ihm. Ein paar Straßen weiter erwartete uns ein wahres Pflanzenmeer. „Ich möchte Sie zum Essen einladen!“ sagte unser Begleiter und deutete auf ein kleines Restaurant, das sich inmitten des Trubels befand.“

Immer noch sitzen Sie da. Leise flackert das Kerzenlicht. „Was geschah dann?“ will er wissen. Und nun erzählen Sie weiter: „Der nette Franzose lud uns in seine Villa ein.“ Und wieder fragt er nach. In diesem Moment haben Sie ihn überzeugt. Er will Sie wiedersehen.

„Wenn der Fisch erst gefangen ist, fragt niemand mehr nach dem Netz.“ lautet ein Sprichwort. Und eben dieses Sprichwort sollte Ihr Leitsatz sein. ER wird sich an dieses erste Rendezvous ein Leben lang erinnern. Ganz einfach deshalb, weil es so einzigartig war. Selbst wenn sich Ihre Wege trennen werden, haben Sie einen Meilenstein gesetzt. Und wenn es an diesem Abend gefunkt hat, dann werden Sie das erste Rendezvous noch oft revuepassieren lassen.