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Ruhe am Ende der Welt

Ein Wellness-Urlaub auf El Hierro

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Fast ohrenbetäubend dröhnen die Propeller, als unser Flugzeug zum Start ansetzt. Es rumpelt und pumpelt. Es wackelt und knirscht. Als sich die Reifen endlich vom Rollfeld lösen, lehne ich mich beruhigt zurück in meinen weißen Ledersitz. Zehn Minuten später überreicht eine Stewardess einen Becher mit Wasser und einen Doughnut. Ich trinke, aber essen mag ich nicht. Nach gut einer halben Stunde berührt das fragile Gefährt die Landebahn der Insel meiner Träume: El Hierro im Atlantischen Ozean.

Mit dem Mietwagen fahre ich bergauf. Durch die karge Landschaft und durch die Berge. Der Himmel ist wolkenverhangen und weiß. In der Ferne schimmert das Meer. Wie eine Verheißung. Ich atme die Zuversicht und freue mich. Prompt geht’s bergab. Ich schlängele mich durch einen dunklen Tunnel, an dessen Ende das warme Sonnenlicht zur Begrüßung erstrahlt.

An der westlichen Spitze der Insel liegt – versteckt wie ein Geheimnis – mein Ziel: das Hotel ‚Pozo de la Salud‘. Die Rückseite des Gebäudes grenzt unmittelbar an die schroffen, schwarzen Klippen, die hier allerortens die Küstenstreifen bilden (unser Foto). Konzipiert wurde die Herberge als reines Kurhotel. Die Anwendungen sind vielfältig: Kalte Bandagen, die abschwellen und straffen, Wickel aus dem fast wundersamen Schlamm des Toten Meeres, Schlankheitskuren auf der Basis von Algen, die die gefürchtete Orangenhaut bekämpfen, Elektrotherapie, Massagen und vieles mehr – alles unter ärztlicher Aufsicht.

El Hierro ist die kleinste der Kanarischen Inseln. In der Breite misst sie gerade einmal dreißig Kilometer. Vor zirka zwei Millionen Jahren durch Eruptionen entstanden, erstreckt sich der Archipel bis auf eine Höhe von 1500 Metern. Wie ein spitzer Kegel fußt er auf dem Meeresboden, der hier – 400 Kilometer vom afrikanischen Festland entfernt – rund 4000 Meter tiefer liegt. Aus diesem Grunde existieren auch nur zwei Sandstrände: einer in der Nähe des zweiten Hotels der Insel (El Parador) und der andere im Hafenstädtchen El Restinga. Baden kann man dennoch, denn an gut zehn heimeligen Plätzen wurden sogenannte Meeres-Schwimmbecken errichtet. In ihnen zu schwimmen ist wie ein kleines Abenteuer.

Das Klima auf El Hierro ist gemäßigt. Fast das ganze Jahr über herrschen Temperaturen von über zwanzig Grad Celsius. Ein seichter Wind weht durchgängig, so dass es – gefühlt – niemals so richtig heiß ist. Wer die Insel erkunden möchte, nutzt idealerweise einen Leihwagen (Stationen am Flughafen). Das Straßennetz ist allumspannend und führt auch zu den entlegensten Orten. Auch Wandertouren werden angeboten, etwas geübt sollte man jedoch sein, denn die Höhenunterschiede, die es zu bewältigen gilt, stellen mitunter eine kleine Herausforderung dar.

Auf El Hierro herrscht Ruhe. Stress ist hier ein Fremdwort, und deshalb eignet sich diese Insel geradezu perfekt zum Entspannen und Entschleunigen. Von den fünfzig Touristen, die es pro Woche hierhin verschlägt, sind achtzig Prozent Spanier, denen es zur Urlaubszeit auf den populären Nachbarinseln zu bunt wird. Eher selten trifft man auch einmal auf andere Nationalitäten. Auffällig ist die Freundlichkeit der Herronen, vor allem Kindern gegenüber.

Die Landschaft wirkt wie ein Wunderwerk der Natur. Zum Meer hin ist die Vegetation spärlich, zwischen Lavageröll wachsen Flechten, Agaven und zahllose andere Sukkulente, denen es nichts ausmacht, dass es hier fast niemals regnet. Doch alles sieht so anders aus! So unwirklich, so ungewohnt, dass man am liebsten für immer hier bleiben möchte. In den Bergen offenbart sich dieser Wunsch in einer anderen Facette: Die Pinienwälder, die einen Teil der Hänge und Weiden überziehen, erinnern an die mitteleuropäische Flora, so dass man sich irgendwie heimisch fühlt.

Im ‚Pozo de la Salud‘ erfahre ich heute meine erste Anwendung. Eine Ganzkörpermassage soll neben meiner Seele auch meinen Körper zur Ruhe geleiten. Fast eine Stunde liege ich regungslos da und genieße das Gleiten der sanften Hände. Als ich danach im Pool zum Schwimmen gehe und auf das imposante Bergmassiv schaue, das bis in die Wolken hinausragt, erfüllt mich eine überwältigende Leichtigkeit. Am Abend fahre ich mit dem Auto um die Westspitze der Insel bis hin zum Leuchtturm, der den alten Seefahrern, aus Südamerika kommend, Jahrhunderte lang den Weg wies. Die Flut prescht mit ihrer Urgewalt an die bizarren Felsformationen, so dass das Wasser bis in die untergehende Sonne spritzt.

Feinschmecker kommen auf El Hierro voll auf ihre Kosten. In den Küstenregionen dominiert – wie sollte es anders sein – fangfrischer Fisch. Im Hinterland sind es vor allem Fleisch- und Kartoffelgerichte. Früchte werden auf den Plantagen angebaut, allen voran die herronische Banane, die nur halb so groß ist wie eine für uns gewöhnliche, dafür aber etwas süßer und deliziöser schmeckt. Die Ananas – ebenfalls als Miniatur gezüchtet – versprüht ihren Charme in einer Süße, die man gekostet haben muss. Auf den freien Flächen der Insel wachsen darüber hinaus Mangos, Pfirsiche, Orangen, Zitronen, Mirabellen und viele weitere Sorten, die immer sonntags auf dem Marcadillo in La Frontera angeboten werden. Besonders köstlich sind auch die kleinen Tomaten und – allem voran – die Kartoffeln, die – einem alten Brauch folgend – solange in Salzwasser gekocht werden, bis das Wasser verdunstet ist. Übrig bleibt eine krustige Schicht, die den Erdapfel mit einer würzigen Geschmacks-Note umspannt.

Das ‚Pozo de la Salud‘ verfügt über eine eigene Heilquelle, die aus der Tiefe des vulkanischen Gesteins sprudelt. Das Wasser schmeckt leicht salzig und ist sehr gut verträglich. Als Trinkkur empfiehlt es sich besonders als Regulator für den Verdauungstrakt. Gleichsam wird aber auch darin gebadet. Ich probiere gleich beides aus. Am dritten Tag steht eine Inhalation an. Wieder ist es das Elixier aus der Quelle, das in dem Topf siedet, über den ich mich neige. Fein abgewogene ätherische Öle, die dem Wasser beigemengt sind, ergänzen dessen Wirkung. Ich atme freier als sonst, als ich den Wellness-Bereich betrete und in der Sauna zu schwitzen beginne.

El Hierro ist so unkompliziert, so ruhig und so friedlich. Am vierten Tag meines Urlaubs auf der Insel besuche ich erneut die kleine Bar, in der ich allmorgendlich meinen ‚Café con leche‘ trinke. Dieses Mal aber scheint mich der nette Herr hinter der Theke nicht zu beachten. Geschlagene fünf Minuten verdingt er sich mit dem Packen einer Tüte, bevor er sich mir zuwendet. Wortlos überreicht er mir dann das kleine Päckchen, das prallgefüllt ist mit Mirabellen. Hat man so etwas schon erlebt? Ich jedenfalls nicht. Warum – um alles in der Welt – kann ich nicht hierbleiben?

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