Allgemeines

Der Stoff aus dem die Kleidung ist

Was wir so alles anziehen

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‚Früher war alles besser‘, sagt man so leicht dahin, wenn es darum geht, eine Beschwerde über diese oder jene Veränderung aus der Neuzeit anzuführen. Was die Stoffe betrifft, aus denen die Kleidung und manchmal auch die Träume sind, zielt dieser Einwand voll ins Schwarze. Nicht bei strapazierfähigem Leinen und der allgegenwärtigen Baumwolle –, schon gar nicht bei Samt und Seide. Bei Polyester und all den anderen artverwandten Geweben sollte man jedoch ein ums andere Mal etwas genauer hinschauen, besonders dann, wenn die Kleidungsstücke jenseits der europäischen Grenzen produziert worden sind, also dort, wo die hohen Standards der Europäischen Union nicht greifen. Trotz aller Verlockungen, beim Textildiscounter ein Schnäppchen geschlagen zu haben, das rein optisch betrachtet, all unsere Erwartungen erfüllt (auch wenn es nur ein T-Shirt zum Unterziehen ist), gilt es, wachsam zu sein. Immerhin tragen Sie das ‚gute Stück‘ meist direkt auf Ihrer Haut – Kontakt inklusive.

Um zu verstehen, welche Reaktionen bestimmte Stoffe bei der Berührung unseres Körpers während des Tragens auslösen können, ist es unumgänglich, all die Gewebearten, die zur Herstellung unserer Kleidung Verwendung finden, zu kennen und überdies zu wissen, was sich hinter den Bezeichnungen verbirgt, die auf das Label gedruckt sind, das irgendwo auf der Innenseite des Kleidungsstückes eingenäht ist. Unterschieden wird grundsätzlich in pflanzliche Fasern (Leinen und Baumwolle); tierische Fasern (Wolle und Seide) und chemische Fasern (aus Holz und synthetischen Materialien).

Leinen ist äußerst strapazierfähig

Leinen ist ein Stoff, der bereits zu Zeiten der Ägypter gefragt war, nicht nur zum Einhüllen der Mumien. Gewonnen wird diese Faser aus den Stängeln der Flachspflanze. Strapazierfähig, ja, das ist das Leinen in erster Linie und somit auch sehr reißfest. Und saugfähig sowieso, was diesen Stoff insbesondere in den heißen Sommermonaten auszeichnet. Der Nachteil: Leinen ist überhaupt nicht elastisch und tendiert daher zum Knittern. Das Bügeln ist deshalb ein Muss, wenn’s gepflegt aussehen soll. Das Kürzel für Leinen sollten Sie sich merken: Es lautet ‚LI‘. Allergische Reaktionen gegenüber diesem Stoff sind selten.

Baumwolle schafft ein angenehmes Körperklima

Die zweite pflanzliche Faser ist die Baumwolle. Sie wird aus Kapseln gewonnen, die an Baumwollsträuchern wachsen. Ebenso wie beim Leinen werden aus den Fasern die Fäden gesponnen. Je länger die Fasern sind, umso hochwertiger ist das Endprodukt. Baumwollstoffe sind überaus hautfreundlich, weil sie sehr weich sind. Sie nehmen relativ viel Feuchtigkeit auf, fühlen sich aber dennoch nicht sofort ‚feucht‘ an. Leider knittert auch dieser Stoff recht stark, so dass auch er gebügelt werden sollte. Die englische Entsprechung für Baumwolle ist Cotton. Darüber hinaus tragen Baumwollprodukte die folgenden Namen: Damast, Cord, Denim, Frottier, Samt, Batist und noch einige mehr.

Wolle hält extrem warm

Die Wolle gehört zu den tierischen Fasen. Dass sie vom Fell der Schafe stammt, ist wohl hinlänglich bekannt. Als Schafrasse mit der feinsten Wolle gilt das Merinoschaf. Die Qualität der Wolle ist umso höher, je weicher sie ist. Besonders voluminöse Wollgarne halten extrem warm und wirken wasserabweisend. Da sich Wolle sehr leicht dehnt und zum ‚Ausleihern‘ neigt, sollten Sie Wolltextilien stets liegend trocknen. Zu den Wolltextilien zählen unter anderem: Flanell, Loden, Tweed, Bouclé und Filz.

Seide hält die Haut kühl

Die zweite tierische Faser ist die Seide. Erzeugt werden die zarten Fäden von Seidenraupen und diversen anderen ‚Spinnern‘. Am bekanntesten ist der Tussahspinner; dessen Seide wird auch am häufigsten genutzt. Seide hält kühl und warm zugleich und ist recht elastisch. Sie knittert weitaus weniger als die bereits erwähnten Stoffe. Aus diesem Stoff erzeugte Kleidungsstücke werden fast immer gefüttert, weil der Kontakt mit dem Körperschweiß der Seide schadet. Als Pendants gelten Satin, Twill, Organza, Chiffon, Bourette und Duchesse, wenngleich einzig und allein die reine Seide befähigt ist, den Passus ‚Königin der Stoffe‘ zu tragen.

Synthetische Fasern sind nur die zweite Wahl

Und nun sind wir auch schon bei den chemischen Fasern angelangt. Ihre Herstellung ist weitaus kostengünstiger als die der natürlichen Fasern. Und weil die Nachfrage nach billigen Kleidungsstücken nach wie vor ungebrochen ist, boomt der Markt für diese Erzeugnisse mit steigender Tendenz. Synthetische Fasern sind rein äußerlich von pflanzlichen und tierischen kaum zu unterscheiden, was schnell einmal dazu führen kann, dass ein reines Chemie-Produkt in Ihrem Kleiderschrank landet. Um dies zu verhindern, sollten Sie vor dem Kauf das eingenähte Stoff-Etikett genau beäugen. Chemische Erzeugnisse sind Polyester (PES), Polyamid (PA), Elastan (EL) und einige weitere.

Die Kennzeichnungspflicht schafft Sicherheit

Unüberschaubar wird das Ganze, wenn Fasern von Textilien kombiniert zum Einsatz kommen. Ein Beispiel: Baumwolle in Verbindung mit Polyester. Eine solche Vorgehensweise erleichtert den Herstellungsprozess und wirkt sich kostensenkend aus. Auf dem kleinen weißen Stoff-Etikett, das auf der Innenseite eines (fast) jeden Kleidungsstückes eingenäht ist, ist die Art des Gewebes benannt. Ist es nur eines, dann steht dort zum Beispiel: 100 Prozent Baumwolle (englisch: 100% Cotton). Diese Angaben sind gesetzlich vorgeschrieben, es sei denn, Sie haben Ihre Bekleidung im kleinen Strickwarenladen um die Ecke gekauft. Für diesen Fall müssen Sie sich auf die Angaben der Verkäuferin verlassen. Bei relativ kleinen Kleidungsstücken wie Socken oder Handschuhen (mitunter auch bei Krawatten) ist der Verweis auf die Stoffart zumeist auf die Umverpackung gedruckt. Fehlen darf er definitiv nicht. Besteht das Gewebe aus mehreren Stoffen, wird es etwas komplizierter. Dann gilt die Regel: Nur ein Stoff mit einem Anteil von mindestens zehn Prozent am Gesamtgewebe muss namentlich erwähnt werden; bei mehreren zusätzlichen Stoffen, die den Basisstoff ‚ergänzen‘, steigt dieser Anteil auf zwanzig Prozent. Enthält also ein Gewebe achtzig Prozent Baumwolle und drei weitere ‚Zusatzstoffe‘, von denen keiner mehr als zehn Prozent ausmacht, entfällt die Kennzeichnungspflicht. Sie wissen also nicht, um welche Stoffe es sich handelt und müssen folglich darauf vertrauen, dass sich keine allergischen Reaktionen gegenüber den ‚Unbekannten‘ beim Tragen einstellen. Das Risiko mag überschaubar sein – dennoch besteht es.

Warum werden reinen Stoffen andere beigemengt?

Ganz so einfach ist diese Frage nicht zu beantworten. Zum einen ganz gewiss aus Kostengründen. Die Herstellung synthetischer Fasern ist weitaus billiger als jene tierischer oder pflanzlicher Herkunft. Und das wirkt sich natürlich auf den Preis aus. Wer nicht bereit ist, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, muss sich nicht darüber beschweren, sogenannte B-Ware auf dem Leib zu tragen. Zum anderen verstärken Kunststoffe wie Polyester aber auch die Haltbarkeit bestimmter Kleidungsstücke. Eine Baumwollsocke für den Winter ist substanziell recht dick gewebt und überdauert deshalb meist nicht nur eine kalte Jahreszeit. Die stylische Socklette, die Sie sommers tragen, ist hingegen fühlbar dünn, weil sie keinesfalls ‚auftragen‘ darf. Wäre sie aus reiner Baumwolle beschaffen – was für die Absorption des Schweißes ideal ist – dann würde es um die Langlebigkeit schlecht bestellt sein.

In ihrer ureigenen Art sind künstlich erzeugte Stoffe mit Vorsicht zu genießen. Doch – wie im vorangegangenen Beispiel erläutert – muss man den Sachverhalt aus mehreren Perspektiven betrachten. Eine weitere ist die Badebekleidung. An einem Badeanzug oder einem Bikini aus Polyester werden Sei lange Jahre Freude haben. Dass die Saugfähigkeit dieses Stoffes gegen Null tendiert, kann Ihnen gleichgültig sein, denn ohnehin tragen Sie Ihre Badebekleidung fast immer nur dann, wenn Sie bereit sein, ins Wasser zu springen. Ein T-Shirt aus 100 Prozent Polyester hingegen wird Ihnen die Laune am sonnigen Sommer schnell vermiesen, obwohl Sie kaum etwas dafür bezahlt haben.

Im Selbstversuch habe ich mir eine durchsichtige Frischhaltefolie um den Unterarm gewickelt. Schon nach zehn Minuten spüre ich ebendort eine Wärme aufsteigen. Nach einer halben Stunde entferne ich die Folie wieder. Das Ergebnis: mein Unterarm ist klitschnass. Selbst wenn man berücksichtigen muss, dass das reine Polyestergewebe nicht genauso dicht ist, wie die Frischhaltefolie, dann sollte bedacht werden, dass wir ein Kleidungsstück wesentlich länger am Körper tragen als nur fünfzehn Minuten. Spätestens nach zwei Stunden erwärmt sich unser Körper genauso wie mein Unterarm zuvor. Und dann sind wir froh darüber, zu wissen, dass die reine Baumwolle und das Leinen entgegengesetzt reagieren.

Buy local!

Ein weiteres Kriterium, das die Stoffe, die wir anziehen, zu Schad-Stoffen wandeln kann, sind die Farben. Pigmente, die einzig den Farbton des Gewebes verändern – ohne Rücksicht auf Verluste – können Ihrer Gesundheit ernsthaft schaden. Zwar ist EU-weit geregelt, welche Substanzen verwendet werden dürfen (und auch fast alle Länder der übrigen westlichen Welt entsprechen diesen Normen), doch die Sache hat einen Haken: Sehr viele Hersteller lassen ihre Waren in Fernost produzieren, weil die Löhne der Arbeiter dort nur einem Bruchteil dessen entsprechen, was hierzulande gezahlt werden muss. Und jetzt kommt ein Faktum ins Spiel, das ich nicht so recht nachvollziehen kann: Die Angabe des Erzeugerlandes auf dem kleinen weißen Stoff-Etikett, das in die Kleidung genäht ist, ist eine freiwillige Angabe. Kein Hersteller ist also verpflichtet, preiszugeben, woher die Hose, die Bluse oder die tolle Jacke stammt. Eigentlich kein Problem, denn bei der Einfuhr nach Deutschland (oftmals auch bereits in den Ursprungsstaaten) werden die Waren kontrolliert. Dass bei den Massen an Kleidungsstücken, die Tag für Tag weltweit verschifft werden, aber auch Stoffe von ‚Schwarzen Schafen‘ dabei sind, kann bei allem guten Glauben nicht ausgeschlossen werden. Das Risiko, zufällig einen solchen auf der Haut zu tragen, ist deshalb durchaus gegeben. Und es steigt beträchtlich, wenn Sie einerseits nicht bereit sind, einen angemessenen Preis zu entrichten; andererseits dann, wenn Sie Ihre Kleidung dort kaufen, wo man besser nicht hingeht.

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