Fitness und Ernährung

Heilsbringer Fisch

Die Eskimos gelten als Vorbild

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Es war schon immer so. Frühmorgens um halb fünf steht Kassuq auf, um zum Angeln zu gehen. Wenn er die hölzerne Haustüre aufstößt, bläst ihm ein eisigkalter Wind ins Gesicht. Doch dem drahtigen Mittsechziger macht das nichts aus. Im Gegenteil: Fast erweckt es den Eindruck, er genieße es, zu dieser schläfrigen Zeit ins Freie zu treten. Tief saugt er die klirrende Kälte in seine Lungen, geradezu als würde er sich an ihr erfrischen. Es war halt schon immer so.

Seit vielen Jahrhunderten bevölkern die Eskimos weite Teile der oberen Nordhalbkugel. Das gesamte Jahr über herrschen hier Temperaturen, die mitunter weit unter dem Gefrierpunkt liegen, doch die Ureinwohner haben sich den widrigen Lebensbedingungen längst angepasst. Der überwiegende Teil der Menschen bewegt sich noch auf dem Schlitten fort –, nur wer es sich leisten kann, ist auf einen Geländewagen umgestiegen. So richtig aber passt dieses schwere Gefährt nicht in diese Gegend. und irgendwie zerstört es auch den Mythos, der dieses Völkchen nach wie vor umgibt.

Inzwischen ist Kassuq an seinem morgendlichen Stammplatz angelangt. Einer zerklüfteten Eisfläche, deren Schollen sich gemächlich hin und her bewegen. Mal links herum, mal rechts herum und schließlich – wenn der Wind gut steht – hinaus aufs offene Meer. Dorthin, wo die Fische leben, die sich bisweilen unter dem Eis an die Küste verirren. An diesem Tag ist es zwar nur ein kleiner Schwarm, der in die Haken beißt, doch für eine ordentliche Tagesration reicht‘s allemal.

Fische sind das Hauptnahrungsmittel der Eskimos, denn die Viehzucht scheitert in diesen Breitengraden am mangelnden Grünfutter für die Tiere, da der Boden stets schneebedeckt ist. Natürlich ist auch hier oben der sogenannte Fortschritt eingezogen, denn er war einfach nicht aufzuhalten. Und ebenso natürlich gibt es heutzutage in den größeren Orten auch Supermärkte, die Waren anbieten, die den Menschen hier noch vor fünfzig Jahren völlig unbekannt waren. Was bleibt sind aber die Gewohnheiten und die Rituale der Urbevölkerung, die nach wie vor dem Leben der Eskimos ihren Stempel aufdrücken. Und so schnell wird sich das auch nicht ändern.

Dass der Verzehr von Fisch sehr gesund ist und dem des Fleisches der Landtiere (eigentlich) vorzuziehen ist, ist eine Erkenntnis, die bereits seit langer Zeit bekannt ist. Einmal abgesehen vom Eisen, das in einigen Fleischsorten (Rind und Leber) gehäuft vorkommt und deshalb als willkommener Spender dient, ist der tierischen Kost nicht viel Gutes abzugewinnen. Und noch eines zeichnet den Fisch als Nahrungsmittel aus: Er ist recht arm an Kohlenhydraten. Wenn er dann noch roh verzehrt wird und ungewürzt, wie es dem Usus der Eskimos entspricht, dann gibt es kaum etwas Gesunderes.

Anfang des vergangenen Jahrhunderts erforschte ein kanadischer Wissenschaftler die Essgewohnheiten der Eskimos. Was er herausfand, wird Sie nachdenklich stimmen: Eskimos, die sich traditionell ernährten, erkrankten nicht an Krebs. Tumorbiologen haben dieses Phänomen inzwischen entschlüsselt. Kurz zusammen gefasst, liest sich die These wie folgt: Kohlenhydrate werden vom Körper in Zucker umgewandelt. Dieser Zucker nährt das Gehirn und ermöglicht es den Menschen, geistige Höchstleistungen zu vollbringen. Gleichsam sorgt er aber auch dafür, dass Nervenzellen nicht absterben. Zudem schützt der Zucker auch die Krebszellen. Sie überstehen so oftmals Strahlen- und Chemotherapien.

Am Würzburger Universitätsklinikum untersuchen die Wissenschaftler seit langem den Zuckerstoffwechsel von Tumoren. Im Fokus steht auch dort die sogenannte ketogene Ernährung, bei der fast gänzlich auf Kohlenhydrate verzichtet wird. Nachweislich – das fanden die Forscher heraus – wird den Krebszellen auf diese Weise der ‚Treibstoff‘ entzogen. Eine kalorienarme Kost kann folglich der Entstehung von Krebs entgegenwirken. Doch was sollten wir stattdessen essen? Immerhin versorgen uns die Kohlenhydrate mit reichlich ‚Energie‘. Die Experten empfehlen, anstatt Kartoffeln, Nudeln, Reis und Getreide, ganz gezielt Fett und Eiweiß zu verzehren. Die drei Mahlzeiten des Tages könnten dann wie folgt aussehen: Zum Frühstück gibt’s Früchte mit Quark; mittags Rührei mit Speck und am Abend liegen Tomaten, Paprika, Gurken und Fetakäse auf dem Teller.

Noch einmal zum besseren Verständnis: Das Universitätsklinikum in Würzburg hat die Zusammenhänge zwischen Tumoren und deren Zuckerstoffwechsel untersucht. Die Studien und deren Ergebnisse beziehen sich also auf Patienten, die bereits an Krebs erkrankt sind. Der Entstehung dieser Krankheit wird nur insofern Rechnung getragen, dass der besagte kanadische Wissenschaftler damals herausgefunden hat, dass die Eskimos nicht an Krebs litten. Diese Erkenntnis jedoch darauf zurückzuführen, dass sie kaum Kohlenhydrate verzehrten, muss nicht zwingend der Grund dafür sein. Zumindest steht es im Bereich des Möglichen, dass der Verzehr des Fisches an sich vorbeugend wirkte. Schließlich werden dem Fleisch dieser Meerestiere ja geradezu magische Kräfte nachgesagt. Wie dem auch sei. Solange die Entstehung des Krebs‘ nicht zweifelsfrei geklärt ist, solange sind den Spekulationen Tür und Tor geöffnet.

Über eine weitere Studie habe ich erfahren, dass sowohl Herzinfarkte als auch Schlaganfälle bei den Eskimos des vergangenen Jahrhunderts derart selten waren, dass sie von der Statistik nicht erfasst wurden. Ein weiteres Argument für den ausschließlichen Fischverzehr? Fast alle Ernährungsberater beschwören hingegen eine ausgewogene Kost. Doch bedeutet das Attribut ‚ausgewogen‘ nicht einzig und allein eine Vielfalt von allem? Dem zu Folge ernährten sich die Eskimos vollends einseitig.

Welche Lehren sollten wir nun aus diesen Erkenntnissen ziehen? Meine Meinung: In jedem Falle mehr Fisch als Fleisch zu essen. Und natürlich viel Obst und Gemüse.

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