Frauengespräche

Moments of Love 5

Frauen lieben Frauen

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Heiraten würde ich niemals. Dessen war ich mir bereits in meiner Pubertät sicher. Männer sind zumeist Grobiane, welche einzig darauf erpicht sind, sich die Frauen unterzuordnen, auf dass sie ihnen zu Willen sind.

So oder aber ganz ähnlich lautete meine Philosophie, welche von drei, vier Begebenheiten gespeist worden war – allesamt recht unschön und ernüchternd verlaufend. Überhaupt konnte ich kaum nachvollziehen, aus welchem Grunde ein Mann eine Frau begehren sollte. Und ohnehin hegte ich zu meinem sehr weiblichen Körper keine besondere Beziehung, jedenfalls liebte ich ihn nicht so, wie es vielleicht sein sollte.

Schlagartig erfuhr meine Einstellung einen ungeahnten Wandel, als ich Timo kennenlernte. Der Blondschopf, zwei Jahre jünger als ich, entfachte auf den ersten Blick mein Interesse, und ich wohl auch das seine. Zart war er, zart wie eine schlanke Pflanze, welche sich voller Freude dem Sonnenlicht entgegenwindet, aus dass die Wärme der Strahlen seine Haut behutsam streichelt. Und groß war er. Groß wie ein Hüne, dessen Arme es mühelos vermochten, die Wolken zu berühren. Vielleicht auch den Himmel, welchen wir in luftiger Zweisamkeit erstrebten, ja ersehnten.
Er schrieb mir Gedichte, welche ich noch heute in meiner Schatztruhe hüte und flüsterte Gedanken in meine offenen Ohren. Ich pflückte ihm Blumen, ganz weiße, und trug ihn auf seidenen Händen. Anlässlich meines siebzehnten Geburtstages komponierte ich für ihn ein Lied auf dem Klavier.

Eines Tages, als wir zu später Stunde beisammensaßen, geschah etwas Furchtbares. Gerade lehnte ich mich zurück in meinen Sessel, als er, der hinter mir stand, mit seiner Hand in meine Bluse fuhr und meine Brüste berührte! Sogleich sprang ich auf und schubste ihn, ja ich schrie ihn an und verwies ihn unseres Hauses. „Was fällt dir nur ein!“ rief ich ihm noch nach, doch längst war er verschwunden.

Eine große Seifenblase war zerplatzt. In selbiger Nacht streichelte ich den Ort unseres Zerwürfnisses, um Klarheit zu erlangen. Aber es gelang mir nicht, einen Grund für sein Begehren zu finden, so sehr ich mich auch bemühte. So schlief ich ein.

Sechs Jahre später wurde ich zu einem Konzert geladen. Am Abend zuvor stand die Generalprobe an. Vanessa, eine kaum Dreißigjährige, bemühte sich um mich in der Maske. Eine weiße Bluse trug ich, wie all die anderen Frauen auch. „Du hast sehr schöne Brüste“, sagte sie völlig unvermittelt, als ich errötete.

Unser Auftritt war ein voller Erfolg. Noch Minuten nach dem Ausklang applaudierten die Zuschauer frenetisch. Klitschnass geschwitzt verkroch ich mich kurze Zeit später in einem Nebenraum, um Luft zu holen. Auf einmal stand sie vor mir. „Chapeau!“ sagte sie, sonst nichts. Wir umarmten uns. Erst streichelte sie meinen Rücken und ich den ihren. Dann folgte sie den Linien meines Körpers. Was dann geschah, raubte mir den Atem.

Seit zwei Jahren besucht mich Vanessa nun fast jeden Tag. Sie ist mein Glücksengel. Zwischen uns hat sich eine tiefe Freundschaft entwickelt.

So urteilt die Psychologin

Gleich zwei nicht ganz gesellschaftskonform verlaufende Verhaltensweisen treten in dieser Fallstudie zu Tage: Ein junges, pubertierendes Mädchen zeigt kein Interesse daran, seinen Körper zu entdecken und auch keinerlei sexuelles Verlangen, obwohl gerade die Phase zwischen dem 12. Und 16. Lebensjahr oftmals als eine Periode des Entdeckens beschrieben wird. Der Einfluss der Gesellschaft ist hoch und tritt bisweilen recht zwingend auf. Dennoch sieht die Heranwachsende keinen Handlungsbedarf; sie ignoriert geradezu den Wandel ihrer körperlichen Entwicklung (hin zur Frau). Mehr noch: Sie brüskiert sich über die Annäherung ihres Freundes und setzt damit gleichsam ein Zeichen, in dem sie fordert, ihre Einstellung so zu akzeptieren wie sie ist. Und das ist ihr gutes Recht.

Frauen, die die Sexualität und mit ihr das Verlangen nach sexuellen Kontakten erst spät verinnerlichen, bilden mehr als ein Drittel der betroffenen Altersgruppe, die durchaus bis zum Ende des dritten Lebensjahrzehnts ausgedehnt werden kann. Die Dunkelziffer hinsichtlich einer reinen Enthaltsamkeit wird jedoch dadurch geschönt, dass diese Frauen durch gesellschaftliche Zwänge in eine Rolle gedrängt werden, die von ihnen ein gesellschaftskonformes Verhalten verlangt. In aller Deutlichkeit kann deshalb behauptet werden, dass viele dieser Frauen nur deshalb zum Beischlaf bereit sind, weil die Gegenseite (die Männer) ihr ‚Recht‘ geltend machen. Ginge es nach der Bereitschaft der Frau an sich, dann zeigte sich ein anderes, ehrlicheres und entsprechendes Bild. Ebenso wie in der Fallstudie, in der das Mädchen mit Vehemenz seine eigenen Ziele verfolgt.

Mein Rat: Lassen Sie sich nicht beirren! Wenn Sie nicht dazu bereit sind, mit einem Mann zu schlafen, dann tun Sie alles erdenklich Mögliche, um dies zu verhindern. Sogenannte Mutproben und die Ansicht ‚die anderen machen es doch auch‘ sind nicht nur barer Unsinn; sie können Ihnen auch den Weg in eine sexuell erfüllte Zukunft ein für alle Male verbauen.

Der zweite Aspekt in dieser Fallstudie ist die gleichgeschlechtliche Neigung, die – und das wird klar herausgestellt – in fast keinem Fall mit einem Erlebnis korreliert, wie es in der Fallstudie geschildert wurde. Die Annäherung des Freundes steht also in keinerlei Zusammenhang mit der Neigung. Nur in den seltensten Fällen ergeben sich Zusammenhänge, die dazu führen, dass eine bisexuelle Neigung ignoriert wird und fortan in eine gleichgeschlechtliche mündet. Einzig bei weiblichen Opfern eines sexuellen Missbrauchs kann davon berichtet werden, wenngleich auch die daraus resultierende Verhaltensänderung meist einem puren Sicherheitsaspektes geschuldet ist (eine Frau wird mir schon nichts antun). Eine gleichgeschlechtliche Neigung ist – fast ausschließlich – angeboren, also genetisch bedingt. Ist sie einmal verankert, so wird sie den Menschen ein Leben lang prägen, selbst dann, wenn unsere Gesellschaft oftmals anderer Auffassung ist.

Mein Rat: Wenn Sie erkannt haben, dass Ihnen der sexuelle Kontakt zu Männern gleichgültig oder sogar zuwider ist, dann lassen Sie sich nicht beeinflussen! Einzig Ihr Wille ist entscheidend. Fühlen Sie sich zu Frauen hingezogen, dann achten Sie darauf, dass solche Erkenntnisse nicht auf dem reinen Zufall beruhen (wie in unserer Fallstudie). Vor allem aber sollten Sie sich Zeit lassen, sich selbst zu entdecken. Und wenn Sie überhaupt keinerlei Annäherung wünschen, dann ist’s auch gut. Wir Menschen sind nun einmal grundverschieden.

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