Frauengespräche

Schönheit, Schönheit über alles

Use your faults!

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Wer einmal das Gesicht einer Katze betrachtet hat, dem ist aufgefallen, dass Katzengesichter – abgesehen von der Farbe des Felles und der Augen – allesamt ziemlich gleich aussehen. Eine Katze sieht aus wie eine Katze. Schaut man jedoch genauer hin, offenbaren sich Unterschiede, die aber – bezogen auf uns Menschen – nicht so gravierend erscheinen. Wie sonst ließe sich erklären, dass jemand (und das kommt nicht selten vor) eine fremde Katze mit der eigenen verwechselt? Gehen wir einen Schritt weiter und vergleichen die Elefanten miteinander, dann zeigen sich die Unterschiede noch verschwommener und allenfalls die Zoowärter sind imstande, Ben und Lukas auseinander zu halten. Wie lässt sich das erklären?

Zum einen sind uns die Tiergesichter nicht so vertraut, wie die der Menschen, denen wir tagtäglich über den Weg laufen. Zum anderen besteht in der Tat ein deutlicher Unterschied: Die Tiere leben seit Menschengedenken in ihrer ureigenen Welt –, die Welt der Menschen hingegen hat sich in eben dieser Zeit fundamental gewandelt. Das Fell des Neandertalers ist in unseren winters beheizten Häusern ebenso überflüssig wie der Gang auf allen Vieren im Zeitalter der Automobilität. Die Evolution hat ihre Lehren gezogen.

Zurück zu den Katzen. Katzen können nicht lachen, Menschen hingegen schon. Katzen haben keine dicken Nasen, manche Menschen aber durchaus. Die Reihe ließe sich fortsetzen bis an ihrem Ende die Gewissheit stünde: Mensch und Tier sind nicht aus einem Holz geschnitzt. Dies alles wäre kein nennenswertes Problem, wenn der Mensch es den Katzen und Elefanten (und mit ihnen allen anderen Tieren) gleichtäte und die Gleichgesinnten so betrachtete, wie es die Schöpfung vorgesehen hat. Das aber liegt ihm fern, weil unsere Menschengesellschaft ein neues Dogma geschaffen hat: Die Schönheit steht über allem. Genau das ist es, was uns von den Tieren unterscheidet.

Wer im Rampenlicht steht, ist anerkannt und gilt für viele als Vorbild. Unglücklicherweise werden wir Frauen aber – mit einigen Ausnahmen – von der Gesellschaft weder als bildhübsch angesehen, noch gelingt uns der Sprung ins Showgeschäft. Diese Unzulänglichkeiten müssten uns demnach – folgen wir dem Schönheitsideal – in die Verzweiflung stürzen. Und tatsächlich, – einige unserer vermeintlichen Leidensgenossen haben daran zu knapsen. Bisweilen ufern diese Selbstzweifel sogar darin, sich (ohne einen wirklich erkennbaren Grund) unters Messer eines Schönheitschirurgen zu begeben. Ob sich ein Elefant den Rüssel stutzen ließe, um sich (optisch) von seiner Herde abzuheben, darf doch arg bezweifelt werden.

Eigentlich könnten wir jetzt über die Gesellschaft schimpfen, über die Chance, berühmt zu werden (die uns versagt blieb) und/oder solange mit unserem Aussehen hadern, bis wir vollends das glauben, was andere uns glaubhaft machen wollen. Wir können aber auch einen anderen Weg einschlagen.

Edith Piaf hat einmal eine Weisheit geäußert, an die ich mich nur allzu gerne erinnere: „Use your faults, use your defects, then you gonna be a star.“ Als ich diesen Satz zum ersten Mal hörte, ahnte ich die Tragweite ihres Ausspruchs nicht im Geringsten. Für mich waren die Fehler und Makel, von denen sie sprach, schlichtweg körperliche Unzulänglichkeiten, die nicht der Norm entsprechen, wie etwa Segelohren oder lange Nasen, die etwas aus der Form geraten sind. Wenn man also diese Unzulänglichkeiten nutzt und sie in den Vordergrund stellt – so dachte ich damals – dann kann man mit ihnen berühmt werden wie ein Mike Krüger mit seiner großen Nase.

Erst viele Jahre später las ich ein Interview, das ein Reporter der BBC mit Edith Piaf geführt hatte. Angesprochen auf ihr Zitat rückte sie mein Weltbild und mit ihm meinen Glaube an die Schönheit des einzelnen in ein Licht, das wohl allen zu denken geben mag: Die Fehler und Makel, von denen sie sprach, sollten einzig und allein jene Unzufriedenheit symbolisieren, die – durch die überaus kritische Brille des Schönheitsideales betrachtet – dann zutage treten, wenn es darum geht, ihnen entsprechen zu wollen oder zu müssen.

Ohne Zweifel hat Edith Piaf mit ihrer Weisheit für alle, die ihr Aussehen als fehler- und makelhaft ansehen, eine Lanze gebrochen, stellt sie doch die Erscheinung des einzelnen als Ganzes in den Fokus der Gesellschaft. Im Vergleich mit den Stars mögen viele von uns nicht mithalten können, doch wo würden die Stars stehen, wenn wir (erst) selbst im Rampenlicht stünden? Würden sie dann ebenso in Zweifel verfallen, fragend: „Was hat sie, was ich nicht habe?“ Drehen wir den Spieß doch einfach um! Für Ihren Partner sind Sie die Beste und die Schönste, für ihn sind Sie der Star!

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