Frauengespräche

Weiß steht mir gut!

Ein Irrtum mit Folgen

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Ich erinnere mich noch ganz genau: Es begab sich in London in einem Levis-Shop. Mein Flug nach Düsseldorf hatte einige Stunden Verspätung, und ich nutzte die freie Zeit für einen kleinen Einkaufsbummel. Da ich lediglich mit meinem Handgepäck unterwegs war, sollten es nur ein paar T-Shirts sein. Und weiß sollten sie sein. Ich mochte weiß schon immer und fand auch, dass diese Farbe zu meinen blonden Haaren gut passt. Weiß war einfach meine Farbe! Ich kaufte also gleich ein halbes Dutzend, wie ich das immer tue, – ohnehin waren sie recht preiswert. Danach zog eine ganze Weile Zeit ins Land.

Es war Sommer. Unsere Freunde und Bekannte hatten alle mitgeholfen und gegen Mittag waren sämtliche Möbel und auch die Umzugskartons in unserer neuen Wohnung verstaut. Nur ein einziger Raum musste noch gestrichen werden. Um den Tag zu nutzen, hatten wir beschlossen, diese Arbeit im Anschluss zu verrichten, damit wir unsere Siebensachen gleich allesamt einsortieren konnten. Gesagt getan. Dass das Schleppen der Möbel nicht ganz schmutzfrei über die Bühne gehen würde, daran hatte ich gedacht. Doch beim Streichen kleckst schon einmal etwas Farbe auf die Kleidung. Meiner alten Jeans hätte das nicht geschadet, wohl aber meinem weißen T-Shirt, das ich mir damals in London gekauft hatte.

„Wenn du nicht willst, dass ich mit freiem Oberkörper streiche“, sagte ich deshalb meinem Freund, „dann gib mir einfach dein T-Shirt.“ Natürlich hätte er mich gerne die Arbeit halbnackt verrichten lassen (was er auch anmerkte), aber schließlich siegte – der Nachbarn wegen – die Vernunft. Adonis ließ seine Muskeln spielen und Eva trug ein viel zu großes, schwarzes Polo-Shirt.

„Das steht dir wirklich gut!“ sagte mein Freund nicht nur einmal an diesem Nachmittag sondern gleich gefühlte hundertmal. Die Komplimente gingen mir nicht mehr aus dem Kopf, und schließlich beschloss ich, meine eigenen Vorlieben gegen die meines Freundes zu tauschen. Zumindest für einen einzigen Tag.

Am darauffolgenden Montag ging ich morgens noch schnell in eine Boutique und kaufte mir ein schwarzes T-Shirt. „Schneiden Sie den Anhänger bitte ab“, bat ich die Verkäuferin, „ich behalte es gleich an.“ Niemals, ich wiederhole: niemals hätte ich ein Kleidungsstück, das ich soeben gekauft habe, anbehalten ohne es vorher zu waschen, „doch heute ist schlichtweg eine Ausnahme“, bestärkte ich mich.

Mit etwas wackeligen Knien betrat ich das Büro. Eigentlich war alles wie immer: einen Guten Morgen von allen Seiten, ein Lächeln. Ein Kollege brachte Kaffee. Dann Stille. Als unser Volontär schließlich die neuesten Zeitungsartikel in eine meiner Ablagen legte, war der Bann gebrochen: „Ihr neues T-Shirt steht Ihnen richtig gut!“ sagte der 20-jährige, ein Mann, und der musste es ja wissen. Selbst wenn er nicht so laut komplimentiert hätte, wäre mir das Echo meiner Kollegen nicht verborgen geblieben: „Schwarz steht dir viel besser als weiß!“

Natürlich bin ich der Angelegenheit auf den Grund gegangen. Mit meinem Smartphone fotografierte ich mich – in schwarz und weiß – und umgekehrt. Stundenlang betrachtete ich die Fotos und mich selbst im Spiegel der Erkenntnis, bis ich zu dem Schluss gelangte, dass ich mich geirrt hatte.

Die weißen T-Shirts habe ich nicht aussortiert. Ich trage sie heute noch. Aber nur dann, wenn es mir gleichgültig erscheint, was andere über mich und mein Outfit denken. Nachdenklich stimmt mich aber die Tatsache, dass ich vermeintlich über Jahre auf dem Holzweg war und nur durch einen Zufall auf meinen Irrtum gestoßen wurde. Ganz ehrlich: Die Meinung der anderen ist mir überaus wichtig, wenngleich ich sie nicht als das Allheilmittel ansehe. Doch wenn eben diese anderen mich schöner finden, wenn ich mich schwarz kleide, dann erweise ich ihnen eben diesen Gefallen und mir selbst gleich die lobende Anerkennung obendrein. Was will ich mehr?