Gesundheit

Krebs – warum ich?

Können wir den Zufall beeinflussen?

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Nach Herz-/Kreislauf-Erkrankungen und Unfällen ist der Krebs die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Bekannt ist seit langem, dass er durch Mutationen bei der Zellteilung entsteht, und auch, dass das Immunsystem des menschlichen Körpers nicht imstande ist, den Krebs – ohne medizinische Hilfe – zu bekämpfen. Über die Ursachen der Zell-Mutationen weiß man hingegen nur wenig. Definitiv ist erwiesen: Das Rauchen und der Kontakt mit radioaktiven Substanzen begünstigen die Krankheit geradezu dramatisch.

Des Weiteren gelten die nachfolgenden Stoffe als krebserregend: Alkohol, regelmäßig in größeren Mengen getrunken; Schimmelpilzgifte, die sogenannten Aflatoxine; die Geschlechtshormone Östrogen und Gestagen als Bestandteil hormoneller Verhütungsmittel; Benzol und Diesel in Form von Dämpfen, die beim Betanken von Fahrzeugen eingeatmet werden. Bleiben Sie deshalb niemals während des Tankens neben dem Zapfhahn stehen. Hinzu kommen die aromatischen Kohlenwasserstoffe, die durch Auto- und Industrieabgase freigesetzt werden, aber auch beim Grillen, wenn das Fett des Fleisches auf die glühenden Kohlen tropft. Legen Sie das Grillgut darum stets auf ein Aluminiumschälchen. Letztendlich zählen noch diverse Stoffe wie Arsen, Asbest, Kadmium, Chrom und Nickel zu den Krebsauslösern.

Nun sollte man wissen, dass das Attribut ‚krebserregend‘ in Verbindung mit den Substanzen, die ich aufgeführt habe, einer gewissen Gewichtung unterliegt. Asbest, das seit langem in Europa verboten ist, gilt als hoch-krebserregend. Chrom und Kadmium (als Beispiele) kommen vorwiegend in der Industrie zum Einsatz – Berührungspunkte mit diesen Stoffen sind also für eine Frau eher selten. Gleichwohl grillen die meisten von uns, tanken und verhüten mittels der Anti-Baby-Pille. Diese Faktoren sind jedoch weitaus ungefährlicher, ansonsten wäre bereits die halbe Menschheit vom Krebs befallen.

Vor kurzem führte ich mit meiner Hausärztin ein ausführliches Gespräch. Ein paar Tage zuvor hatte mir ihre Arzthelferin Blut abgenommen. Nun lag das Ergebnis vor. „Können Sie anhand des Blutbildes erkennen, ob ich an Krebs leide?“ fragte ich sie. „Ausschließen kann ich das sicher nicht“, entgegnete Sie mir, „aber die Werte sind allesamt in Ordnung.“ „Gibt es denn Indikatoren, die auf eine Krebserkrankung hinweisen könnten?“ fragte ich weiter. „Die gibt es“, erwiderte sie, „aber, wie gesagt, die Werte entsprechen der Norm.“ „Das bedeutet also, dass ich bis zur nächsten Blutuntersuchung in einem halben Jahr nichts zu befürchten habe?“ „Wollen Sie es ganz genau wissen?“ Einen Augenblick überlegte ich und nickte schließlich. „Wenn es der Zufall will, dann übermannt Sie der Krebs in zwei, drei Wochen, ohne dass wir irgendetwas dagegen tun können.“ Deutliche Worte, die mir den Atem verschlugen. Aber schließlich hatte ich auch deutlich gefragt.

Einmal abgesehen von den besagten Risikofaktoren, sucht sich der Krebs seine Opfer nach einer Art Zufallsprinzip, an dessen Entschlüsselung Forscher und Mediziner seit vielen Jahrzehnten arbeiten. Vor allem gilt es dabei, Parallelen zu entdecken. Treten Krebserkrankungen gehäuft auf, wenn bestimmte Umstände erfüllt sind, lässt sich anfänglich eine Theorie ableiten. Auf diese Weise wurde erkannt, dass das Rauchen ein Auslöser für den Lungenkrebs sein kann, und auch, dass eine dauerhaft hohe Sonneneinstrahlung zu Hautkrebs führen kann. Warum aber ein gesundlebender Mensch an Krebs erkrankt, konnten diese Erkenntnisse nicht zu Tage fördern.

Im Rahmen meiner Recherche für diesen Artikel habe ich mich in unserem verwandtschaftlichen Umfeld umgeschaut. Vier einzelne Stammbäume waren es, die ich bis zum Anfang des vergangenen Jahrhunderts zurückverfolgen konnte. Insgesamt sind fast zweihundert Verwandte dort aufgeführt. Zwei von ihnen sind im Zweiten Weltkrieg gefallen, zwei weitere starben an einem Herzinfarkt. Und obwohl zur Zeit des Krieges und ganz besonders in der Folgezeit des Wiederaufbaus keinerlei Rücksicht auf Schadstoffbelastungen genommen wurde, erkrankte keine einzige Person aus den vier Stammbäumen an Krebs. Gleichwohl starben drei Personen aus unserem Bekanntenkreis innerhalb der vergangenen zwei Jahre: eine 55-jährige Geschäftsfrau, eine 51-jährige Freundin und ein 84-jähriger Freund meiner Mutter. Allesamt gehörten sie keiner der genannten Risikogruppe an. ‚Warum sie und nicht wir? Frage ich mich die ganze Zeit. Könnte es sein, dass es einen Parameter fernab aller medizinischen Betrachtungen gibt, der ausschlaggebend dafür ist, dass wir verschont blieben? Und könnte es weiter sein, dass eben dieser Parameter nicht ins Kalkül gezogen wird, weil er rein logisch, rein wissenschaftlich nicht messbar ist? Natürlich könnte alles ein reiner Zufall sein, weil die Anzahl der betrachteten Personen nicht besonders hoch ist. Wenn ich aber die Größe unseres Bekanntenkreises als Vergleich heranziehe, ist das Verhältnis in etwa gleich.

In einem zweiten Schritt habe ich mir die Berufe unserer Verwandten und Vorfahren näher angeschaut. 75 Prozent von ihnen waren in der Landwirtschaft tätig, zirka zehn Prozent erwarben ihren Lohn in der Industrie als Arbeiter und weitere zehn Prozent (gerundet) arbeiteten und arbeiten (bis heute) am Schreibtisch. Abschließend befragte ich unsere vier Großmütter – die allesamt noch leben – ganz detailliert nach jeder einzelnen Person in Bezug auf deren Wesen. Herausgekommen ist dabei nichts Verwertbares, denn unter ihnen befanden sich vorgeblich sowohl richtig nette Leute, als auch solche, die kaum jemand leiden mochte. Fazit: Fehlanzeige. Wie sah oder sieht es aber in punkto Lebenseinstellung aus? Auch danach habe ich die Großeltern befragt. Und dieses Ergebnis fiel deutlicher aus: Ohne Ausnahme wurden den Personen der vier Stammbäume die Bezeichnungen ‚Kämpfernatur‘ und ‚Optimist‘ zugesprochen. Könnte dies ein Ansatz sein? Sich nicht unterkriegen zu lassen kann manchmal Berge versetzen, das ist wohlbekannt. Doch kann ein solches Credo auch vor Krebs schützen? Vorsichtig sage ich nein, obwohl ich glaube, dass eine positive Lebenseinstellung sehr wohl dazu führen kann, Schlimmes zu verhindern.

In den 1990-er-Jahren habe ich einen Film geschaut: ‚Der große Bellheim‘ mit Mario Adorf in der Hauptrolle. Kurz und knapp geschildert geht es um ein Firmenimperium, das – nachdem sich der Chef zur Ruhe gesetzt hat – in den Ruin gleitet. In der Retrospektive, vor einem Scherbenhaufen stehend, sagt der Hauptdarsteller zwei Sätze, die ich niemals vergessen werde: „Früher wäre das nicht passiert. Es hätte nicht gewagt zu passieren.“ Die schier ungeheure Anmaßung, die in dieser Aussage zum Ausdruck kommt, lehrt allem, was von außen einprallt, das Fürchten. Wie eine ultimative, aber dennoch versteckte Drohung, führt die Dominanz, die aus dem eigenen Denken erwächst, dazu, dass alles, was als störend empfunden wird, zwar als Gefahr in Betracht gezogen wird, gleichsam aber wirkungslos in der eigenen Immunität versinkt.

Was ich nicht will, das geschieht auch nicht. Der Wille als ein Schutzschild gegen den Krebs? Erst einmal hört sich diese These unglaubwürdig an. Aber nur deshalb, weil die meisten Menschen all jenem, was nicht als erprobt und als erwiesen gilt, misstrauen. Beweise müssen her, um eine Glaubwürdigkeit zu erzeugen. Wie aber sollte eine Beweisführung gelingen? Mit der Untersuchung unserer Stammbäume bin ich doch auch nicht weitergekommen.

Was wäre aber, wenn in der These tatsächlich etwas Wahres steckt? Würde sie dann einzig deshalb, weil sie nicht als messbar gilt, verworfen? Diese Argumentation missfällt mir gänzlich. Allein schon, weil es ja in der Tat sein kann, dass ich persönlich – mit meinem unbändigen Anti-Krebs-Willen – bis zum Ende meiner Tage nicht an Krebs erkranken werde. Dann habe ich zwar noch keinen Beweis erbracht, bin aber immerhin ganz gesund gestorben.

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