Mode

Die wilden 1970er-Jahre

Von Hippies und Disko-Fans

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Es war ein Jahrzehnt wie kaum ein anderes unserer jüngeren Vergangenheit. Gespickt mit politischen Affären, der Ölkrise und der Frauenbewegung trieb diese Dekade – nach langen Jahren des gesellschaftlichen und kulturellen Stillstands – ihre ureigenen, einzigartigen Blüten. Wie ein Kopfstand zur Unzeit drehte sich die Welt – fast über Nacht – um 180 Grad und hinterließ ihre markanten Spuren im Nährboden einer sich geradezu explosiv entladenden Stimmung, die Style und Fashion grundlegend revolutioniert hat – Provokation inklusive.

War es das aufkeimende Selbstbewusstsein der vormals trist-grauen Nachkriegskinder, die sich bislang hinter den Schuldgefühlen ihrer Eltern verbargen –, oder war es ihr unbändiger Mut, endlich ihr langersehntes „Uns reicht’s!“ in alle Himmelsrichtungen zu posaunen? Oder war alles nur ein peinlicher Fauxpas – wie Kenner der Szene es heute mitunter darstellen?

Wie immer liegt der Kern der Wahrheit wohl irgendwo dazwischen: zwischen den grellen Farben, die so ganz und gar nicht ins Weltbild der gesetzten Konservativen passten und den prägenden Silhouetten, die wie ein langer, schlanker Kegel anmuteten. Allen voran war es die ‚Schlaghose‘, die für Furore sorgte. Meist in Form einer Jeans, die zuunterst derart weit ausuferte, dass sie das dekorative Schuhwerk, dessen Absätze – auch bei vielen Männern – fast eine Handbreit an Höhe einnahmen, vollends umspielte – warum auch immer.

Enge T-Shirts lagen ebenso voll im Trend wie Overalls und Rollkragen-Pullover, die allesamt nur von einer einzigen, wahnwitzigen Novität getoppt wurden: dem sogenannten Hosenanzug. Meist unifarben – und meist aus Jeans-Stoff geschneidert – erregte dieses Kleidungsstück zwar eine originelle Aufmerksamkeit und war und ist bequem zudem –, wenn die Mädels indes die Notdurft quälte, dann wars mit dem Komfort dahin. Dann nämlich galt es, sich von Kopf bis Fuß umständlich zu entkleiden, um schlichtweg nur einmal Pipi zu machen. Den Jungs war der weibliche Hosenanzug stets ein Dorn im Auge, verhinderte er doch den spontanen Körperkontakt ebenso resolut wie ein Keuschheitsgürtel die Gier nach noch viel mehr.

Die 1970er-Jahre ebneten diversen Modestilen den Weg. Damals lautete das Credo: ‚Individualität geht vor Modediktat‘. Fast möchte man meinen ‚erlaubt ist, was gefällt‘, und so ganz falsch liegt diese Vermutung durchaus nicht. Eine Stilrichtung ist es, die den meisten von uns maßgeblich in Erinnerung geblieben ist: der Disko-Look. Angestachelt durch den Kino-Kassenschlager ‚Staturday Night Fever‘ mit Karen Lynn Gomey und John Travolta in den Hauptrollen schossen die sogenannten Diskotheken wie Pilze aus dem Boden. Und mit ihnen die Outfits, die alle Grenzen sprengten: In grellen Farben glitzerten reflektierende Stoffe aus PVC, Lurex und Satin in den Spotlights der Disko-Kugeln. Abgerundet wurde das exaltierte Auftreten durch die Plateau-Schuhe und die erwähnten Schlaghosen, die mittlerweile ein leises Comeback feiern.

Flankierend zum Disko-Trend, der durch seine geradezu schreiende Exzentrik die Gemüter allenortens erregte, formierte sich in diesen Jahren eine Art Gegenbewegung, die bereits etwas früher entstanden war: der Hippie-Look. Seinen Ursprung fand dieser ebenso aufmüpfige Trend Anfang der 1960er-Jahre, parallel zur aufkommenden Epoche des politischen Widerstands. ‚Make Love not War‘ hatten sich die Protestler auf die Fahne geschrieben. Intoniert wurde das zumeist gewaltfreie Ansinnen derjenigen, die es auf die Barrikaden trieb, durch Musik-Ikonen wie Bob Dylan, Joan Baez, Janis Joplin, Jim Morrison, Jimi Hendrix und vielen anderen Stars.

Kennzeichnend für den Modestil der Hippies waren neben den langen Haaren der Männer, die in der Bevölkerung fast durchweg ein Kopfschütteln ernteten, vor allem die Turnschuhe, die vorgeblich so ganz und gar nicht ins Weltbild der Nachkriegs-Spießer passte. Was das übrige Outfit anbetrifft, so waren es vornehmlich natürliche Farbtöne, die den Kleidungsstil prägten, so er denn den Geschmack einer breiten Masse reflektierte. Extravaganter ging es zur Sache, wenn die musikalischen Vorbilder voll aufdrehten: Janis Joplin stahl beim Monterey International Pop Festival mit ihrem Trompeten-Ärmel-Shirt und einer Schlaghose, die golden glänzte, allen anderen Künstlern die Show.

Fortan dominierten Blumen-Dessins und kunterbunte Stoffvariationen diesen Modestil – noch immer allerdings recht natürlich. Nicht zu vergessen die langen farbigen Tücher, die meist lila waren. In ebendieser Zeit brach die ‚Szene‘ mit einem Tabu, war es doch Frauen bislang kategorisch untersagt, ihre Beine in Hosen zu hüllen. Im Zuge der Gleichberechtigung, die die Revoluzzer stetig vorantrieben, hat diese Errungenschaft die Welt ganz sicher ein Stückweit gerechter gestaltet.

Disko-Fans und Hippies waren sich spinnefeind. Aus dem Blickwinkel der heutigen Zeit betrachtet, wäre ein solcher Umstand ganz einfach zu ignorieren, da unser durchweg ‚uniformierte‘ Kleidungsstil kaum einen Unterschied darstellt. Selbst reich und arm lässt sich fünfzig Jahre später nur noch mit Argusaugen filtrieren, weil wir alle immer ähnlicher daherkommen – zudem bröckelt das Markenbewusstsein zusehends. Damals aber galten andere Regeln. Und so war es nicht selten, dass ein ‚Popper‘ (die gesteigerte Version eines Fans der Disko-Szene) die Straßenseite wechselte, wenn ein Hippie seinen Weg kreuzte.

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